Ich hatte mal wieder – bestimmt zum hundertsten mal – Lust auf Star Wars. Also ab vor den Fernseher und los.
Da ich mich zu dem Zeitpunkt intensiv mit der Funktion meiner Charaktere im Roman beschäftigte, dachte ich, es wäre eine gute Gelegenheit zu Üben, die Archetypen der klassischen Heldenreise und deren konkrete Motive verlässlicher identifizieren zu können.
Und als ich fleißig mitschrieb Wer, Was und Warum handelte, hatte ich immer öfter ein seltsames Gefühl. Die Story suggeriert auf den ersten Blick eine klassische Messiahs Erzählung. Es muss der oder die Richtige kommen und dann werden alle gerettet. Damit war ich als Zuschauer in diesem Durchlauf aber nicht mehr zufrieden!
Welcher Auserwählte hat denn nun die Macht ins Gleichgewicht gebracht? Anakin als gefallener Messiahs in keinem Fall. Auch Luke erfüllt diese Aufgabe nicht. Sein Opfer für die Flucht des Widerstands ist heldenhaft, keine Frage. Doch reicht das? Hat er damit das Gleichgewicht gebracht? … Ne.
Der Kanon will mir erzählen, es ist der Eine und dieser muss unbedingt zur guten Seite gehören. Meister Yoda spricht es jedoch offen aus – „Falsch verstanden die Prophezeiung vielleicht wurde“. Weder Anakin, noch Luke stellen die Verkörperung des Gleichgewichts dar. Diese Aufgabe können beide auch nie erfüllen. Eine Waage, auf der man die Gewichte einer Seite entfernt, tut was? Sie kippt…
Wahrhaftiges Gleichgewicht kann nicht bedeuten, dass die helle Seite überwiegt.
Anakin verfällt der dunklen Seite, Luke opfert sich für die helle Seite. Damit haben beide Seiten gelitten, beide Seiten der Waage sind leichter geworden. Das stellt doch eine Art von Gleichgewicht dar?! Für mich ist das die falsche Fährte. Denn meiner Lesart zufolge sind die Skywalkers keine Gewicht, sondern lediglich das Stativ, auf dem ein Gleichgewicht erst möglich wird. So unwichtig ihr Schicksal ist, so zentral sind ihre Handlungen.
Eine vedische Sicht auf Star Wars
Zur Verständnis dieser Idee muss man sich gedanklich vom christlichen Heilsbringer entfernen und zu älterer Denkart übergehen. Dann ergibt sich für mich ein klareres Bild – ein logisches und perfekt gespiegeltes System an Funktionen.
Wer sich das ausgedacht hat ist ein Genie!
Die passendere Interpretation vom Auserwählten
Anakin und Luke gehören weder zur hellen, noch zur dunklen Seite. Ihre Funktion erfüllen sie über Handlung, nicht durch Existenz. Dabei ist Luke eine Rekursion, eine weitere Schleife, schlicht nötig um eine nachvollziehbare Zeitachse zu bilden.
Insgesamt sehe ich 10 für meine Interpretation relevante Charaktere, die sich teilweise in ihrer Funktion doppeln.
Die positiven Gewichte (CREATION): Padme Amidala, Leia Organa, Ben/Kylo Ryn
Die negativen Gewichte (DESTRUCTION): Sheev Palpatine, Dathan Palpatine, Rey
Die neutrale Seite (PERSISTANCE): Anakin Skywalker, Luke Skywalker
Hinzu kommen noch Miramir und Han Solo als Repräsentanten der Neutralität. Denn auch das können Anakin und Luke nicht sein. Durch ihre Machtsensitivität können sie diese Funktion nicht übernehmen. Als Teil der gottähnlichen Protagonisten können sie nicht die Verbindung zur Normalität sein.
Daraus ergibt sich für jede Episode ein Spannungsfeld mit unterschiedlichem Kräfteverhältnis, bevor es sich in der letzten Szene vor Tattooine auflöst.
Episode I/II : Die dunkle Seite überwiegt, Padme ist nicht machtsensitiv. Anakin ist noch nich relevant.
Episode III : Anakin läutet den Übergang zum 2. Zyklus ein. Seine wichtigste Funktion ist nicht die Rolle als Darth Vader, sondern als Vater von Leia.
Episode IV : Das relevante Paar nach Sheev und Padme sind Dathan und Leia. Dabei wechseln die Pole der Machsensitivität von der dunklen zur hellen Seite. Luke ist ebenso wenig bereit für seine Funktion, wie Anakin in Episode I.
Episode V/VI : Luke vollendet den 1. Zyklus. Padme starb zum Ende der 3. Episode, Sheev stirbt zum Ende der 6. Episode. Die erste Machtpaarung verschwindet. Die gesamte Trilogie ist ein Transit in den 2. Zyklus. Dathan und Leia spiegeln die Dysfunktionalität von Sheev und Padme. Ihre Funktion ist es, die Machtsensitivität in der dritten Generation ins Gleichgewicht zu bringen.
Episode VII-IX : Luke erfüllt sein Schicksal als Wegbereiter des Gleichgewichts. Zuerst wird Kylo Ryn durch ihn geboren, bevor er auf seiner Insel Rey vor ihrem dunklen Erbe warnt. Ohne diese Schlüsselereignisse hätte Ben sich nicht geopfert, Rey wäre ggf. die nächste Imperatorin und der nächste Zyklus würde unausweichlich.
